Philosophie Magazin / Heft 4/2025
An einem Dienstagabend im März, kurz bevor Donald Trump und Wladimir Putin sich telefonisch über die Zukunft der kriegsverheerten Ukraine austauschen, bewirbt der russische Ultranationalist Alexandr Dugin sein aktuelles Buch: „Donald Trumps Revolution. Eine neue Ordnung der Großmächte“. Im Moskauer Präsidentensaal der Staatsmedienholding Rossija Segodnja schwärmt Dugin vom erstarkten „Trumpismus 2.0“ und einem baldigen Zusammenbruch der liberalen Ordnung.
Dass ein autoritärer Ideologe einen autoritären Politiker feiert, mag auf den ersten Blick nicht überraschen. Im Falle des mystizistischen Carl-Schmitt-Widergängers und Wannabe-Rasputins Alexandr Dugin ist die Sympathiebekundung trotzdem erstaunlich.
Zunächst könnte man durchaus meinen, dass für einen Denker, der die „konservative Revolution“ der Zwischenkriegszeit kanonisch verehrt und im Austausch mit der Neuen Rechten Westeuropas steht, ein lang gehegter Traum endlich Wirklichkeit wird.
An die Stelle eines unipolaren Systems mit dem Liberalismus als Leitideologie tritt ein Schmittianisches Ordnungsmodell: Im „Pluriversum“ abgesteckter Weltareale durchherrschen die „Hegemonen“ jeweils ihren „Großraum“ – für die vermeintlich raumfremden Mächte besteht ein ehernes Einmischungsverbot. So wie Russland ein Recht auf die Ukraine habe, sei Kanada der Hinterhof der Weltmacht USA. Der trumpistische Anschluss des schwächeren Kanadas – schwärmte Dugin bei der Vorstellung des Buches – sei genauso ein Kampf um „Souveränität“, wie Russlands Feldzug gegen seinen Nachbarn.
Und doch müsste für Dugin seiner Weltsicht gemäß etwas faul sein an Amerikas völkischem Turn und dessen neuem Anti-Universalismus. Denn Volk und Raum, oder Blut und Boden, sind in Dugins Denkwelt aufs engste verbunden, hier gibt es eine mythisch-metaphysische Einheit von Raum und politischer Mentalität. Der „Volksgeist“ gebe sich im „Raum“ seine Form – zugleich gebe der Boden diesem kollektiven Geist auch eine Art transhistorisches Gepräge.
Amerika gilt dabei als satanische Brutstätte jüdisch-universalistischer Kultur und in Dugins neo-eurasischem Mythos als gleichsam ewiger und „absoluter Feind“. Der Fauxpas des angelsächsischen Liberalismus sei es, dass dieser eben nicht in seinem Großraum verbleibe, sondern vielmehr den gesamten Planeten zur Beute des vampirischen Imperiums erkläre.
Wiederum im Rekurs auf Carl Schmitts geopolitischen Essay „Land und Meer“, sowie das „Herzland“-Theorem des britischen Strategen Halford Mackinder konstruiert Dugin eine metaphysische Polarität zwischen den guten, traditionsgebundenen und verwurzelten „Landmächten“ in Russland und Kontinentaleuropa auf der einen, sowie den bösen, identitätslosen und notorisch liberalistischen „Meermächten“ USA und Großbritannien auf der anderen Seite. Wobei diese politische Metaphysik mit einer Fantasy-Historiographie korreliert: So gehe Russland auf die Landmacht Hyperborea und Amerika auf die Meermacht Atlantis zurück, die sich in ewiger Feindschaft befänden. Der im Westen verankerte „Atlantismus“ stehe jenseits allen Wandels für „Verfall und Dekadenz“, und sei das Reich des „Antichristen“. Der Eurasismus und der Osten hingegen seien eine Sphäre „ewiger Weisheit“, und würden dem dräuenden Weltuntergang als der „Katechon“ Einhalt gebieten. In Dugins heilsgeschichtlichem Phantasma hat Moskau die Rolle des „dritten Roms“ inne, nach Rom und dem orthodoxen Byzanz. Die eschatologische Endkampf-Rhetorik ist dabei mehr als staffierende Folklore, der Antagonismus wird kosmisch konzipiert.
Der „Amerikanismus“ ist für Dugin, genauso wie für Carl Schmidt, Arthur Moeller van den Bruck, Armin Mohler und die Neue Rechte der Gegenwart mithin kein zufälliger Träger des Universalismus als vermeintlichem Zersetzter der „völkischen Kultur“ und Urgrund der Auflösung von „Identität“.
Nicht von ungefähr ist es der Plan vieler konzeptueller Rechtsideologen in Russland und Europa, letzteresaus dem geopolitischen und kulturellen „Gebilde“ des Westens herauszubrechen und eine eurasische Achse zu bilden. So seien zwar auch die Kontinentaleuropäer durch die „globalistische“ Kultur zu identitätslosen Schwächlingen mutiert. Diese aber könnten sich den Amerikanismus doch „selbst von den Knochen waschen“, wie der neurechte Denker Armin Mohler formuliert hat.
Dass nun ausgerechnet der „absolute Feind“ Amerika als Flaggschiff des hier meist als jüdisch gelesenen Gleichmachers „Liberalismus“ selbst ins Horn souveränistisch-völkischer Identität bläst, müsste Dugin und Konsorten eigentlich vor argumentative Probleme stellen.
Wie der Historiker Volker Weiß in seinem Standardwerk „Die autoritäre Revolte“ ausgeführt hat, hieße für die Neue Rechte, „die Vorstellung eines naturhaft universalistischen Charakters der angelsächsischen Kultur fallenzulassen, eine der grundlegenden Prämissen ihres Denkens aufzugeben“.
Martin Lichtmesz, eine der Gallionsfiguren der identitären Bewegung in Österreich, brachte den gedanklichen Knoten, den das MAGA-Amerika ihm nunmehr beschert, schon während Trumps erster Amtszeit auf den Punkt: „The Donald“, so erklärte Lichtmesz pointiert, habe ihm „den Glauben an ein Amerika zurückgegeben, den ich nie hatte.“ Auch Dugin, der die Begriffe Amerikanismus und Liberalismus eigentlich synonym gebraucht, wirkt seit Trump in seinem antiamerikanischen Furor weniger obsessiv. Zwar missbilligt der Fan des schiitischen Spiritismus und des klerikalen Mullah-Regimes im Iran die Unterstützung Donald Trumps für das verhasste Israel. Von der grundsätzlichen Feindschaft zu „Amerika“ aber scheinen Dugin und die von ihm inspirierten Akteure in Ost und West allmählich abzurücken – nun da sich der Universalismus vorerst eine neue Bleibe wird auswählen müssen.
Letztlich offerieren die in sich vielfach widersprüchlichen Ideologeme der völkischen Szene auch für dieses Manöver eine passende Erzählung. Unter „White Supremacists“ etwa zirkuliert das Narrativ, dass die Angelsachsen letztlich zu Händlern depravierte Wikinger seien, die sich ihr Herrenmenschentum auch wieder aneignen könnten.
Das ideologische Dreigespann aus Antiuniveralismus, Antimodernismus und Antisemitismus, das für die Neue Rechte maßgeblich ist, wird den Antiamerikanismus überdauern, so der Auszug des liberalen Weltgeists aus den USA nicht nur vorübergehend ist. Sollte Trump aber in die Defensive geraten, wird man sich indes umso bestätigter fühlen.