Tagesspiegel, 17.10.2023
Die selbsterklärten „Freiheitskämpfer“ der Hamas haben in ihrem Krieg gegen den Todfeind Israel Zivilisten und selbst Kleinstkinder niedergemetzelt. Auch ruft die Terror-Organisation dazu auf, weltweit jüdische Einrichtungen anzugreifen. Wieso beschränkt sich Hamas nicht auf Soldaten als Ziele? Und weshalb nimmt sie nicht nur die verhassten Israelis, sondern Juden überall auf dem Planeten ins Visier? Radikal-islamischer Antisemitismus ist, anders als manche Kommentare vermitteln, nicht bloß eine Folge des Konflikts im Nahen Osten. Er gründet auf einem wahnhaften Weltbild, das komplexe historische Ursachen hat.
Richtig ist: Judenhass hat keinen Migrationshintergrund. Das hartnäckigste Ressentiment der Menschheitsgeschichte kommt rechts und links und in der Mitte vor, durchformt die Weltbilder von streng religiösen genauso wie jene von nichtgläubigen Menschen. Feiernde Terror-Sympathisanten auf deutschen Straßen sind unerträglich – dennoch ist es grundfalsch, den Judenhass im Anschluss an das Pogrom der Hamas an jüdischen Zivilisten nun wie so oft auf „die Muslime“ auszulagern. Die Entlastungsprojektion der Mehrheitsgesellschaft ist wohlfeil und häufig rassistisch motiviert.
Doch auch der Abwehrreflex auf die pauschale Diffamierung – nämlich den Islam von jedem originären Antijudaismus freizusprechen und Antizionismus von Antisemitismus zu trennen – greift historisch gesehen zu kurz. Die Judenfeindschaft von Hamas und Konsorten würde jede Friedenslösung in Nahost überdauern. Denn genau wie der völkische Antisemitismus erklärt der islamistische Hass auf die Juden diese zu ewigen Feinden der Menschheit und ist auf totale Vernichtung ausgelegt. Der Ursprung dieses Hasses liegt zwar auch im Koran, doch weit mehr in einer späteren Entwicklung begründet. Im Koran...