Der Tagesspiegel, 15.12.2016
Seit Generationen ist die Spaltung der Umma – der muslimischen Gemeinschaft – in die geopolitische Landkarte des Nahen Ostens eingezeichnet. In Syrien und im Irak, wo die westlichen Kolonialmächte einst ungeachtet konfessioneller Identitäten künstliche Staatsgrenzen in den Wüstensand zogen, macht der sunnitisch-schiitische Konflikt ein Gutteil des aktuellen Desasters aus. Iran und Saudi-Arabien treten in den ethnisch und religiös zerklüfteten Gebieten als selbst ernannte Schutzmächte von Schia und Sunna auf. Gleiches gilt im Jemen, im Libanon, in Bahrain und überall sonst, wo sich die Anhänger der beiden größten islamischen Konfessionen gegenüberstehen.
Was aber ist der Ursprung des Schismas, das die Bürgerkriege theologisch untermauert und dessen Folgen noch im 21. Jahrhundert die halbe Welt erschüttern? Was unterscheidet Schiiten und Sunniten voneinander und was wirft man sich gegenseitig vor, das eine jahrhundertelange Feindschaft begründet?...