Der Tagesspiegel, 10.2.2019
Der heutige Mensch trägt die Welt via Smartphone am Körper. Freunde und Kontakte, beliebige Konsumgüter, ständig wachsende Wissensgebiete: Alles ist prinzipiell verfügbar. Gleichzeitig aber, so scheint es, sind die Beziehungen der spätmodernen Individuen zu ihresgleichen, Dingen und Tätigkeiten kein bisschen intensiver geworden. Folgt man dem Jenaer Soziologen Hartmut Rosa, korrumpiert das moderne Großprojekt einer unentwegten „Reichweitenvergrößerung“ gar ein wirklich beschwingtes Verhältnis zwischen Subjekten und Lebenswelt. Die Folge totaler Verfügbarmachung ist ein großes Verstummen. Die Welt büßt ihre Geheimnisse ein, als indifferente „Anwesenheit“ kann sie uns nicht mehr berühren.
Rosas neues Buch „Unverfügbarkeit“ ist die Fortsetzung seines Werkes „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ mit deutlich bescheideneren Mitteln. In der Tradition der Kritischen Theorie hatte Rosa schon 2016 auf rund 800 Seiten versucht, die entfremdeten Strukturen moderner Gesellschaften umfassend zu beschreiben. Zugleich aber hatte er den Anspruch mit dem Konzept der Resonanz als Folie eines gelingenden Weltverhältnisses das zur Entfremdung positive Gegenbild zu liefern…