Der Tagesspiegel, 26.7.2017
In einer Zeit, in der die Krise keine Ausnahme mehr, sondern die Regel darstellt, wächst die Zahl derer, die sich nach formelhaften Wahrheiten und engen Identitätskorsetten sehnen. Wie nicht bloß wissenschaftliche Studien, sondern auch öffentliche Debatten nahelegen, sickern verschwörungsideologische und rechtsradikale Denkfiguren zunehmend vom Rand her in die Mitte der Gesellschaft ein. Augenscheinlich macht sich vielerorts ein starker Wille zur Komplexitätsreduktion bemerkbar.
Es ist nicht zuletzt die Sache von Philosophen und Geisteswissenschaftlern, gegen die Tendenzen falscher oder vereinfachter Wirklichkeitsdarstellung anzudenken, und die – zugegeben – oft schwer erträgliche Komplexität in den (Be)Griff zu bekommen.
Was genau aber hat es mit besagter Komplexitätsreduktion eigentlich auf sich? Und wie hängen die derzeit häufig beklagten Aufschwünge von verschwörungsideologischem Denken und identitären Reinheitsfantasien im Einzelnen zusammen?...