Der Tagesspiegel, 16./17.1.2016
Lange Zeit hielt sich in der Forschung die nicht zuletzt von Hannah Arendt vertretene These, es habe sich bei Heideggers Engagement für den Nationalsozialismus um das naive Abdriften eines politisch unbedarften Philosophen gehandelt. Das Klischee vom Elfenbeinturm diente als gemütliche Schutzbehauptung. Auch viele, die wussten, dass der Denker vom Todtnauberg als Person nicht ganz koscher war, versuchten zur Ehrenrettung seines ja auch auf Seiten linker Theoriebildung wirkmächtigen Denkens, wenigstens den frühen Heidegger, den Fundamentalontologen aus der Zeit vor der Kehre, von braunen Flecken rein zu halten.
Seit der Veröffentlichung der Schwarzen Hefte nun wird Heideggers Antisemitismus intensiv diskutiert. Und doch mangelte es zunächst an einem systematischen Ansatz, der Heideggers Werk im Ganzen auf sein judenfeindliches Gepräge hin geprüft und diesem genealogisch durch die Philosophiegeschichte nachgespürt hätte.
Die italienische Philosophin Donatella Di Cesare, letzte Schülerin des Heidegger-Zöglings Gadamer, die vor Kurzem ihren stellvertretenden Vorsitz der Martin-Heidegger-Gesellschaft niederlegte, arbeitet mit „Heidegger, die Juden, die Shoah“ nun in die angedachte Richtung…