Der Tagesspiegel, 10.6.2016
Für seine Zeitgenossen bedeutete Kants „Kritik der reinen Vernunft“ vor allem eines – eine komplette Überforderung. Das erste Werk, das den nachhaltigen Ruhm des Kosmopoliten aus Königsberg begründete, erschien 1781. Trotz seiner labyrinthischen Sprach- und Denkgebäude aber setzte es eine philosophische Revolution in Gang, die Kant selbst die „kopernikanische Wende“ nannte. „Die Kritik der reinen Vernunft“ ist der umfassende Versuch, die Wissenschaft auf eine solide Grundlage zu stellen. Ebensolche Gültigkeit haben viele seiner Werke bis heute – von der „Kritik der praktischen Vernunft“ bis „Zum ewigen Frieden“.
Doch wie kann das Vermächtnis Kants heute so „erzählt“ werden, dass sein in acht Jahren fälliger 300. Geburtstag zu einem öffentlichkeitswirksamen Ereignis jenseits philosophisch bewanderter Expertenzirkel wird? Die seit Heine kolportierte These, es sei schwer, über Kants Lebensgeschichte etwas auszusagen, weil er weder eine Geschichte noch ein Leben gehabt habe, lässt sich zwar leicht beiseiteschieben. Doch sicherheitshalber haben Bundesregierung, zahlreiche Institute und kulturelle Einrichtungen, darunter auch internationale Partnerinnen, schon jetzt begonnen, das große Ereignis gedanklich vorzubereiten…