Der Tagesspiegel, 14.10.2015
Fritz Bauer, der große Jurist der Nachkriegsgeschichte, dessen filmisches Denkmal man derzeit im Kino bestaunen kann, hat als Generalstaatsanwalt in den 50er Jahren seine Behörde als „feindliches Ausland“ bezeichnet. Gegen massiven Widerstand aus dem eigenen Lager, das von Kryptofaschisten durchsetzt war, brachte Bauer die Frankfurter Auschwitzprozesse auf den Weg – zu einer Zeit, als die deutsche Nation ihre kollektive Schuld noch durch Wirtschaftswunder-Euphorie camouflierte. Eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte kam erst durch die Zäsur von 1968 zustande. Gleichwohl gab es in den 50ern neben Fritz Bauer auch schon andere, weniger bekannte Verfechter einer kritischen Vergangenheitspolitik.
Reinhard Strecker, der kürzlich seinen 85. Geburtstag beging und gerade – besser spät als nie – mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde, organisierte zwischen 1959 und 1962 mit anderen Studenten im Auftrag des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) die Wanderausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“. Die Schau geißelte die Pervertierung des Rechts im NS-Staat. In Gaststätten und Studentenwohnheimen mehrerer deutscher Städte wurde die verkapselte Öffentlichkeit nach akribischen Recherchen Streckers mit der Tatsache konfrontiert, dass etliche amtierende Richter und Staatsanwälte bereits unterm Hakenkreuz aktiv gewesen waren und mörderisches Unrecht gesprochen hatten...