Der Tagesspiegel, 22.12.2017
Der Krieg, den Nazideutschland ab 1941 gegen das sowjetische Russland führte, war ein Vernichtungskrieg von unvergleichlicher Grausamkeit. Spätestens seit August desselben Jahres wusste das deutsche Offizierskorps um dessen verbrecherische Form. So war den Akteuren von Beginn an klar, dass der „Ostfeldzug“ nicht als „normaler Krieg“ gelten konnte. Umso infamer ist, dass es innerhalb des Offizierskorps eine Personengruppe gab, die die Massenerschießungen von Juden und den forcierten Hungertod von Zivilisten und russischen Kriegsgefangenen in dem Bewusstsein begleitete, ein hochchristliches Werk zu verrichten.
In ihrem jüngst erschienenen Buch „Kriegspfarrer an der Ostfront“ untersucht die Historikerin Dagmar Pöpping die evangelische und katholische Wehrmachtsseelsorge im Zweiten Weltkrieg. Mit Blick auf acht Feldtagebücher und zahlreiche kleinere persönliche Dokumente widmet sich Pöpping unter anderem den Apologien, die die Pfarrer ins Feld führten, um den Krieg gegen die Sowjets theologisch zu legitimieren. In einer erstmals beide Konfessionen vergleichenden Perspektive wirft die Historikerin erhellende Schlaglichter auf ein Geschehen, das noch bis heute zuweilen verklärt wird…